Name |
Nachricht |
Mathias Jakobs
|
RE: Warum ich für den Irak-Krieg Bin(=György Konrad) Auszüge, 28.Feb.2003 12:20
|
Danke für diesen Artikel!
Meine Meinung zum Krieg, ob er nötig oder vermeidbar ist, ändert sich fast stündlich.
Da hilft es schon, mal wieder an ein paar Wahrheiten erinnert zu werden, die in der deutschen öffentlichen Meinung zur Zeit nicht gerade populär sind. "Was mich betrifft, so halte ich den Antiamerikanismus ebenso wie den Antieuropäismus für Populismus, der gleichermaßen Großmannssucht wie Minderwertigkeitskomplexe verrät." Hoffen wir, dass deutsche Demonstranten nicht mehr Puppen von George W. Bush verbrennen als von Saddam Hussein (also: keine).
Und auch für mich Anti-Fundamentalisten, der vor islamischen Gebetshäusern im Ruhrgebiet sorgenvoll die Stirn runzelt (was aber wohl auch nicht verkehrter ist als dort einfach nur eine friedvolle Bereicherung der hiesigen Kultur zu erkennen), hat György eine Hoffnung parat: "Auf die Behauptung, daß der demokratische Rechtsstaat im Nahen Osten nicht möglich sei, weil er mit dem Islam unvereinbar sei, gibt es. nur eine Antwort: Wie lange noch?"
|
|
|
|
Jürgen Kramer präsentiert György Konrad (FAZ)
|
Warum ich für den Irak-Krieg Bin(=György Konrad) Auszüge, 27.Feb.2003 20:00
|
Auszüge: Frankfurter Allgemeine Zeitung 27. Februar 2003 Warum ich für den Irak-Krieg bin Wer den Kommunismus als Dissident erlebte, kann Saddam nicht tolerieren / Von György Konrad _...__ ________ __ _ —— __ ——————————————————————_ Wer heute in Budapest in einer neuen Demokratie lebt, muß seinen Verstand nicht strapazieren, um zu der Schlußfolge- rung zu gelangen, daß Europa ohne die Angelsachsen heute entweder nationalso- zialistisch oder kommunistisch wäre oder aber geteilt beides. Können wir auch wei- terhin von einer europäisch-amerikani- schen Zusammengehörigkeit reden, und wollen wir in diesem Zusammenhang auch weiterhin von einer maßgeblichen Voraussetzung für unsere Sicherheit und Freiheit sprechen? Verdrießlich lese ich die geringschätzigen Klischees von beiden Küsten des Atlantischen Ozeans - oder präziser formuliert: von beiden Seiten des Ärmelkanals -, wonach die Amerikaner überheblicher und die mit ihnen hadern- den Europäer befangener seien. Was mich betrifft, so halte ich den Antiamerikanis- mus ebenso wie den Antieuropäismus für Populismus, der gleichermaßen Groß- mannssucht wie Minderwertigkeitskom- plexe verrät. Stereotype kulturelle Vorurteile und Be- schimpfungen zeugen von der eigenen Un- sicherheit, unserer mangelnden Fähigkeit, Verständnis für andere aufzubringen. Ge- meinsames Merkmal davon ist eine ideolo- gistisch geprägte überzogene Verallgemei- nerung verschiedener aktueller Spannun- gen. Die Logik eines solchen Vorgehens ähnelt der des Rassismus; jedes Volk, ob klein oder groß, kann mit einigen spötti- schen und unfreundlichen Gemeinplätzen erledigt werden. Die jüngste transatlanti- sche Empfindlichkeit erinnert an Ehepart- ner, die auf einen gereizten Wortwechsel hin .ihre Gemeinschaft rückwirkend für Jahrzehnte aufkündigen.... Wir lassen uns in keine Kampagne hinein- ziehen, weder in eine antiamerikanische noch in eine gegen diese oder jene europäi- sche Gruppierung. Wir wollen keine Anti- amerikaner sein, und antieuropäische Phrasen lehnen wir ab. Von jenen Mäch- ten, die wesentlich größer sind als wir, er- warten wir, daß sie sich an die solidarische Disziplin der Demokratien halten. DenRegierungen des Westens kann es nicht verborgen geblieben sein, daß das Regime in Bagdad die von den größeren Mächten, unter anderen von deutschen Firmen gekauften und als Kampfstoffe nutzbaren Chemikalien erst im Krieg ge- gen Iran und dann - bereits nach der mili- tärischen Niederlage von 1991 - mit einer Gründlichkeit gegen die eigene kurdische und schiitische Bevölkerung eingesetzt hat, die nur als Genozid bezeichnet wer- den kann. Habe ich nicht die Absicht, mich selbst zu täuschen, dann kann ich we- der an eine Unschuld der amerikanischen noch der deutschen, weder der britischen i noch der französischen, weder der russi- schen noch ^er chinesischen Seite glau- ben. Ich nehme zur Kenntnis, daß sie alle ihre Interessen haben. Wir, ehemalige Dis- sidenten Mitteleuropas, sind daran interes- siert, daß es weniger Diktaturen auf der Erde gibt. Deshalb ist uns die aufgefrisch- te antiimperialistische Propaganda deren Wortführer wie in den Zeiten des Kalten Krieges groteskes Verständnis für todbrin- gende Diktaturen bezeigen, nicht sympa- thisch. Deshalb bringen wir dem iraki- schen Despoten in seinem Vorgehen ge- gen das eigene Land und die Völker an der Peripherie keine demonstrative Tole- ranz entgegen. Die Anhänger einer als real existierend bezeichneten friedlichen Alternative spre- chen von einer bewaffneten Entwaffnung. Wir dürfen nachfragen: Bedeutet das nicht Krieg, wenn diese von der anderen Seite abgelehnt wird? Und wer wird ihn austragen? Wenn der irakische Präsident den amerikanischen und englischen Trup- pen eine Hölle verspricht, was sollte dann dazu veranlassen, den Befehlshaber der in blauen Helmen einmarschierenden französischen und deutschen Truppen mit einer Einladung zum Abendessen zu emp- fangen und hernach mit ihm zwecks Besei- tigung der eigenen uneingeschränkten Macht zu kooperieren? Gibt es denn nie- manden, der ihn nach Den Haag bringen will, damit er Milosevic Gesellschaft lei- sten kann? Ohne die Souveränität des Dik- tators zu brechen, wird sich das Bisherige wieder einstellen. Oder sollte man alles beim alten belassen? Wenn 1999 der Einsatz von militäri- scher Gewalt statthaft gewesen ist - denn demonstriert haben die heutigen Friedens- aktivisten damals nicht —, was hat sich dann seit 1999 geändert, daß jetzt gegen ei- nen nahöstlichen Tyrannen keine militäri- sche Gewalt angewendet werden darf? In Jugoslawien tobten ethnische Bürgerkrie- ge, und die Großmächte haben sich auf der Seite der einen kämpfenden Partei ein- gemischt. Auch damals wurde viel Geld in - die Zerstörung gesteckt, wenig dagegen in den Wiederaufbau und in Hilfsaktionen. 1997 stand ich zusammen mit einer hun- dertfünfzigtausendköpfigen Menge in Bel- grad auf dem Platz der Republik, wo die Redner zum Sturz von Milosevic auffor- derten und noch dazu die Ablösung des Regimes verlangten, eine politische Wen- de. Das Volk pfiff, applaudierte, lachte, und die bewaffneten polizeilichen Einsatz- kräfte vergriffen sich an niemandem. Ob das Bombardement Milosevics Herrschaft verkürzt oder verlängert hat, ist heute schwer zu entscheiden. Tatsache jeden- falls ist, daß der gewählte Diktator schließ- lich vom Volk in der Hauptstadt gestürzt worden ist. Aus Bagdad sind solche Bilder nicht gekommen. Aber wir konnten Doku- mentarfilme von einer Volksausrottung se- hen. Den zugänglichen Nachrichtenquel- len zufolge soll die Grausamkeit des ehe- maligen jugoslawischen Präsidenten ne- ben der des irakischen Präsidenten bis zur Bedeutungslosigkeit verblassen. Wie soll ich diese Vorliebe für die irakische Will- kürherrschaft deuten? Das Wunder verspätet sich Wäre es nicht doch angebracht, die Sou- veränität von Staaten, von Regierungen, die für ihre eigene Bevölkerung und die Nachbarländer gefährlich sind, vorüberge- hend zu suspendieren? Gegebenenfalls so- gar mit militärischem Druck? Ebenso wie die modernen nationalen Gesellschaften über professionelle bewaffnete Organisa- tionen verfügen, so könnte auch die mo- derne internationale Gesellschaft solche einsetzen, wenn gefährliche Verbrecher in einem Land die totale Macht an sich geris- sen haben. Die Ordnungsmächte müssen, wenn es notwendig und möglich ist, Leben und Freiheit der Bürger verteidigen. Wenn es eine irdische Gerechtigkeit gibt, dann werden die mordenden Diktatoren ihre alten Tage im Gefängnis verbringen. Polizisten werden für eine Stadt ebenso ge- braucht wie für die Welt, Von einem Polizi- sten erwarten wir keine Rhetorik, sondern Sicherheit. Wenn es für die Waffen kein in- ternational kontrolliertes Monopol gibt, dann treiben provinzielle Kriegsherren ihr Unwesen. In der Osthälfte Europas herrschte vor 1989 die allgemeingültige Anschauung, Demokratie gebe es hier deshalb nicht, weil sie gar nicht möglich sei, weil sie mit den Parteistaaten unvereinbar sei. Mit an- deren Worten: unmöglich sei sie deshalb, -weil es sie nicht gebe. Das gleiche wurde auch in den südeuropäischen und südame- rikanischen Militärdiktaturen behauptet. Und siehe da: Sie ist vereinbar. Vereinba- ren lasse sie sich nur mit den biblischen Lehren? Aber was ist mit Indien? Und Ja- pan? Die Demokratie toleriert alle Reli- gionen. Von irgendeiner Religion wird die Demokratie nicht toleriert? Sie sei unver- einbar mit dem muslimischen Glauben? Wie viele Schlachten werden an allen Ek- ken und Enden in den Demokratien der Welt ausgetragen? Auf die Behauptung, daß der demokratische Rechtsstaat im Na- hen Osten nicht möglich sei, weil er mit dem Islam unvereinbar sei, gibt es. nur eine Antwort: Wie lange noch? Bis sich ir- gendwo herausstellt, daß beides doch mit- einander vereinbar ist. Würde mir jemand sagen, daß die Gläubigen des Islam vor der Obrigkeit gern Angst haben möchten und daß sie freie Wahlen selbst dann ver- achten würden, wäre ihnen die Möglich- keit dazu gegeben, dem würde ich sagen, er sei ein Rassist. Sollten unsere Mitmen- schen im Nahen Osten tatsächlich darauf bestehen, daß sie von den Behörden gefol- tert oder gar getötet werden dürfen Be- vor ich lächelnd Abschied nehme von je- nem Zeitgenossen, der das behauptet, wür- de ich daran erinnern, daß Diktaturen brü- chig sind, daß es manchmal nicht schaden kann, ihnen einen Stoß zu versetzen. Das erste Datum, auf das ich mich berufen wür- de, wäre 1945. Auch Wunder hat es schon gegeben: runde Tische, an denen Macht und Oppo- sition einen Vertrag über einen verfas- sungsmäßigen Übergang unterschrieben haben. Der Wagen des Mars rattert schon. Und das Wunder verspätet sich.
György Konräd, Jahrgang 1933, ist Schriftsteller und Präsident der Akademie der Künste, Berlin.
|
|
|
|
|
|