von Jürgen Kramer am 10.Feb.2003 20:39
|
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Montag, 10. Februar 2003 Opfer unerwünscht Picassos „ Guernica" in der UN verhüllt. Im Vorkrieg der Medien fürchten Politik- ker noch immer die Macht von Bildern die sich ihrer Kontrolle entziehen. Als der ame- rikanische Außenminister Colin Powell und der Chef der Waffeninspekteure Hans Blix vergangene Woche vor der inter- nationalen Presse in New York ihre Positio- nen zu einem möglichen Krieg gegen den Irak erläuterten, sollte die Weltöffentlich- keit eines nicht sehen: Pablo Picassos „Guernica“, das in Form einer Tapisserie, die Nelson A. Rockefeller 1985 den Verein- ten Nationen geschenkt hat, im Vorraum zum Sitzungssaal des Sicherheitsrats hängt. Picassos aufwühlendes Memento, das be- kannteste Anti-Kriegs-Bild des zwanzigsten Jahrhunderts, war von einem blauen Vor- hang mit UN-Logos verhüllt worden. Es sei, so ein Diplomat, kein „angemessener Hin- tergrund', wenn Powell oder der Botschaf- ter der Vereinigten Staaten bei den Verein- ten Nationen, John Negroponte, über Krieg redeten und dabei von schreienden Frauen Kindern und Tieren umgeben seien, die das durch Bombardements verursachte Leid zeigten. Ein Sprecher der Vereinten Natio- nen bekräftigte, der Vorhang sei „ein ange- messener Hintergrund für die Kameras". Die Entscheidung, Picassos bildhaften Aufschrei, dessen Original 1937 als Reak- ton auf die Bombardierung und Zerstö- rung der baskischen Stadt Guernica durch die deutsche Luftwaffe gemalt wurde, zu verhüllen, ist ein symbolischer Akt. Er be- schädigt nicht nur die Erinnerung, die Picas- sos Ereignisbild beschwört, er beschädigt auch die menschliche Gabe, im klaren Be- wußtsein der Leiden und im Angesicht der Opfer - seien sie auch nur gemalt - über Krieg oder Frieden zu streiten. tw
|
|
|
|
|